Dominique Haensell
Alumna
14195 Berlin
Making Black History: Diasporic Fiction in the Moment of Afropolitanism
Dissertation in Literatur
Mentoring Team:
First supervisor: Prof. Ulla Haselstein
Second supervisor: Prof. Sabine Schülting
Third supervisor: Prof. Yogita Goyal
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit zeitgenössischen Romanen der afrikanischen oder Schwarzen Diaspora, veröffentlicht oder rezipiert zu einer Zeit, die ich als moment of Afropolitanism bezeichne. Ich beschreibe Afropolitanismus als ein Phänomen des 21. Jahrhunderts und als einen Moment oder eine historische Konstellation, die einen deutlichen Wandel hin zu einer größeren Sichtbarkeit und Aufwertung des afrikanischen Signifikanten bewirkt hat. Ich identifiziere Afropolitanismus als Teil eines diasporischen Diskurses, der vor allem in den USA stattfindet und somit von verschiedenen Verhandlungen über blackness, race, class und kulturelle Identität geprägt ist. Anstatt afropolitane Literaturen (nur) als Ablehnung von racial solidarity zu interpretieren, wie häufig geschehen, untersuche ich sie als ambivalente Antworten auf die post-rassistischen Diskurse, die insbesondere in den USA das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts dominierten. Diese Diskurse oszillierten häufig zwischen Momenten intensiver Hoffnung und akuter Enttäuschung.
Vor diesem affektiven Hintergrund ist nicht überraschend, dass sich die Mehrdeutigkeit des afropolitanen Moments auch in der Literatur widerspiegelt. Im Gegensatz zum singulären Fokus auf diasporische Risse und Brüche argumentiere ich, dass blackness von diesen Romanen nicht nur erforscht, ausgeweitet und verhandelt, sondern auch strategisch eingesetzt wird, als eine Form der Zusicherung und eines ernsthaften Strebens nach Kollektivität. Dieses Streben, das ich als „diasporic desire“ bezeichnen möchte, ist ebenso geprägt von der Antizipation einer nicht nur postrassischen, sondern antirassistischen Zukunft. Darüber hinaus argumentiere ich, dass die Verhandlungen von blackness auch durch den Einsatz dessen erreicht werden, was ich „race in/as history" nenne. Dies spiegelt sich in den Romanen sowohl formal als auch thematisch durch eine Betonung von Zeit, Zeitlichkeit und (Meta-) Geschichtlichkeit.
In meinen Lektüren konzentriere ich mich in erster Linie auf die Art und Weise, wie diese Romane verschiedene Vermächtnisse, Gegenwarten und Zukünfte der Schwarzen Diaspora ablehnen oder verwirklichen. Diese subtilen Aushandlungen diasporischer Zeitlichkeiten erlangen eine spezielle Bedeutung, wenn man bedenkt, dass Afropolitanismus in einem Moment entsteht, in dem sowohl das Versprechen einer postrassistischen USA, als auch das einer Schwarzen diasporischen Zusammengehörigkeit in Frage gestellt werden. Dementsprechend sorgfältig müssen diese Fragen analysiert werden, da alle drei Romane diese Elemente in unterschiedlichem Maße und mit unterschiedlichen Effekten einsetzen. Teju Coles Open City untersucht sowohl die Einschränkungen literarischer Gattungen als auch die die Grenzen einer (diasporischen) Solidarität, die auf der Anerkennung von Traumata beruht, bzw. die begrenzte empathische Übertragung, die durch eine ästhetische Sublimierung von traumatischen diasporischen Narrativen erzeugt wird. Der Roman zeichnet diese als beinahe hoffnungslos von der Art von Historismus bestimmt, die eine melancholische Reaktion so sehr bedingt, wie sie eine tatsächliche Auseinandersetzung mit der Gegenwart verhindert. Der Hoffnungsschimmer, den man in Open City nur erahnt, wird in Chimamanda Ngozi Adichie’s Americanah hyperbolisch realisiert, wo eine genretypische, libidinöse Bindung an eine rosige, vielleicht sogar race-lose Zukunft die Protagonist*innen aus einer überdeterminierenden Geschichte heraus und zurück ins Mutterland befördert. Yaa Gyasis Homegoing hingegen nutzt sowohl den Vorwärtsdrang der Zukunft als auch die Rückwärtsgerichtetheit der Historizität und ist somit ein Roman, der das hoffnungsvolle Potenzial der Erneuerung und Verbindung über die Kluft der Middle Passage hinweg antizipiert, ohne die langfristigen Auswirkungen der Sklaverei zu verharmlosen.