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Helen Gibson

Helen-Gibson

Alumna

Adresse
Lansstraße 5-9
14195 Berlin

Joyriding across the Color Line: Automotivity and Citizenship in the United States, 1895-1939

Dissertation in Geschichte

Mentoring Team:
First supervisor: Prof. Sebastian Jobs
Second supervisor: Prof. Anke Ortlepp
Third supervisor: Prof. Grace Elizabeth Hale

Ungeachtet dessen, dass schwarze Autofahrer seit Beginn des Jahrhunderts des Automobils Teil der Mobilitätsbewegung waren, sind sie bis heute im Alltag des Autofahrens Terror und der Ausradierung in den historischen Aufzeichnungen ausgesetzt. Dies ist von besonderer Bedeutung, da das Autofahren ein essenzieller Bestandteil der amerikanischen Staatsbürgerschaft ist. Obwohl die Formulierung ‚Driving While Black‘ spätestens seit den 1990er-Jahren geläufig ist, existiert die gezielte polizeiliche Beobachtung von schwarzen Autofahrern*innen, mit Vorläufern in der Sklaverei, seit der Einführung des Autofahrens. Die vorliegende Dissertation analysiert die (metaphysische) Gewalt des Autofahrens. Sie ist ein Aufruf, den phänomenologischen Rahmen der Emotionen (Terror, Demütigung, Zorn, Freude) als alternative Epistemologie zu berücksichtigen. Meine Analyse stellt die tägliche Erfahrung des Autofahrens der schwarzen Bevölkerung in den USA im Zeitraum von 1895 bis 1939 in den Vordergrund. Das Forschungsspektrum umfasst dabei die rassifizierenden, kriminalisierenden Diskurse des ‚joy riding‘; die Öffnung des Zugangs zu Autos für schwarze Autofahrer*innen als Chauffeure*innen; Praktiken der Ausgrenzung bei der Vergabe von Kraftfahrzeugversicherungen; und die emotionalen Handlungs- und Diskursoptionen den Normen der Erniedrigung und Terror im Jim Crow Zeitalter durch das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit zu entgehen.

Die Erfahrung des ‚Driving While Black‘ ist inhärent mit Fragestellungen der kritischen   Phänomenologie   und   Subjektivität   als   auch dem Konzept einer ‚Jim Crow economy of emotions‘, wie es diese Dissertation erarbeitet, verwoben. Diese Jim Crow-Ökonomie der Emotionen diente dazu, die emotionalen Grenzen der Möglichkeiten für motorisierte Mitglieder der schwarzen Bevölkerung aufzuzeigen. Auf Grundlage der theoretischen Verflechtungen des Afro-Pessimismus, des planetarischen Humanismus, und des schwarzen Mystizismus, und der archivarischen Sammlungen des Schomburg Center for Research in Black Culture, der Library of Congress sowie anhand von historischen Zeitungsartikeln und Zeitschriften, analysiere ich spekulative, geschichtliche Rahmen des Möglichen. Der geographische Umfang der Forschungsarbeit ist national. Die Analyse transzendiert dabei verschiedene Regionen und urbane Zentren wie Fort Worth, Texas, Miami, Florida, Kansas City, Missouri, Bakersfield, Kalifornien oder New York, New York. Dieser erweiterte nationale, geographische Fokus ist dabei von besonderer Bedeutung, sowohl als Beitrag zu einer Neubewertung der bürgerrechtlichen Historiographie, und vor dem Hintergrund, dass soweit erhaltene historische Zeugnisse im Hinblick auf das ‚Driving While Black‘ im frühen zwanzigsten Jahrhundert sich ausschließlich auf den Raum der Stadt Miami beziehen.

Ich postuliere, dass Automobile konstituierend und überhöhend zu einer ontologische Gewalt beitrugen. Dabei zeige ich auf, dass Rasse konstruiert und im Rahmen öffentlicher Mobilität in der Jim Crow Ära erfahrbar war, sowie dass schwarze Amerikaner zu Beginn des 20. Jahrhunderts Automobile als Rückzugsräume nutzen. Des Weiteren untersucht die Dissertation die Gründung einer Vielzahl von Gewerkschaften durch schwarze Chauffeure*innen als Antwort auf den Rassismus der weißen Chauffeure*innen, welche versuchten Zugang zu automobiler Mobilität gewaltsam zu begrenzen und dabei berufliche aber auch private Privilegien für sich exklusiv zu sichern. Die Doktorarbeit macht deutlich, dass schwarze Autofahrer*innen durch Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit die Grenzen ihrer Mobilität unterwanderten, und dass weiße Polizisten*innen dabei diese Grenzüberschreitung durch Frontalkollisionen und durch Schusswaffengebrauch gegen schwarze Motorist*innen zu unterbinden versuchten. Ich zeige, dass Autos, trotz des rassifizierten Terrors, als Verlockung durch afroamerikanische Autofahrer*innen wahrgenommen wurden, und das Autos im historischen Kontext wirkmächtige Objekte sind, um Gewohnheiten des Konsums und der Staatsbürgerschaft entlang rassifizierter Grenzen zu beschreiben.

Diese Dissertation leistet einen Beitrag zu den jüngsten Interventionen auf den Gebieten der schwarzen Geschichte und der Mobilitätsforschung als auch zu aktuellen Diskussionen zum Zusammenhang der Kritischen Theorie und des Neuen Materialismus. Im Kern befasst sich diese Dissertation mit der Frage, wessen Humanität und unter welchen Umstünden diese im Rahmen teilprivatisierter Autos sowie durch sekundäre Infrastrukturen der Versicherungswirtschaft in den ersten Jahrzehnten des automobilen Amerikas anerkannt wurde. Abschließend macht diese Forschungsarbeit deutlich, dass Autos teleologische Verständnisse von Schiffen und Zügen als Orte materieller und technologischer Mobilität in Frage stellen. Die Geschichte der Würde, Weigerung, Flucht und Stillstand schwarzer Motorist*innen am Beispiel des Automobils, wie sie diese Dissertation untersucht, verweist dabei auf wichtige ethische Fragen, besonders wie globale Neuordnungen im Hinblick auf Zugang zu Arbeit, zu Freizeit und Erholung und zu materiellen Ressourcen gedacht werden können.

Dahlem Research School
Deutsche Forschungsgemeinschaft
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