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DFG Forschergruppe "Ästhetik und Praxis populärer Serialität"

Popular Seriality

Popular Seriality

Leiter: Prof. Dr. Frank Kelleter, American Studies, FU Berlin

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Serielles Erzählen gilt als ein Grundmerkmal populärer Ästhetik. In der Forschung werden Serialität und Populärkultur oft derart selbstverständlich miteinander assoziiert, dass kaum mehr gefragt wird, wodurch sich populäre Serien narrativ auszeichnen, welche kulturhistorischen Verhältnisse sie voraussetzen oder unterstützen und wie sich populäre Serialität von seriellen Strukturen in anderen kulturellen Feldern unterscheidet. Die Forschergruppe "Ästhetik und Praxis populärer Serialität" widmet sich diesen Fragen, indem sie die Formen, Dynamiken und Funktionen seriellen Erzählens spezifisch für die populäre Kultur untersucht. Als Populärkultur wird hierbei ein dominant kommerzielles, explizit massenadressiertes und auf technologische Medien angewiesenes Praxisfeld der Herstellung, Wahrnehmung und Nutzung ästhetischer Artefakte verstanden, das sich seit Beginn des 19. Jh.s zunächst im europäisch-amerikanischen Kulturraum durchsetzt. Unser Ansatz hält auf zweifache Weise Abstand zu bereits etablierten Modellen der Populärkultur und versucht zwischen ihnen zu vermitteln:

(1) Populäre Serialität wird in der vorgeschlagenen Perspektive nicht im Sinn formaler Komplexitätsminderungen oder als Ausdruck ideologischer Verblendungszusammenhänge gefasst. Der Wettbewerbsorientierung industriell produzierter Serienerzählungen soll Rechnung getragen werden, indem wir populäre Serialität als eine Form von Standardisierung und Schematisierung in den Blick nehmen, die gerade aufgrund ihrer hohen Reproduzierbarkeit und ihrer breiten Adressierungsfähigkeit immer neue Variations-, Fortsetzungs- und Anschlussmöglichkeiten generiert, sowohl in formaler als auch in lebensweltlicher Hinsicht. Das Erkenntnisinteresse der Forschergruppe besteht darin, die narrativen, historischen und kulturellen Dimensionen einer solchen Ausdifferenzierung populärer Serialität systematisch und anhand von aussagekräftigen Fallbeispielen auszuloten.

(2) Die Legitimität populärer Kultur wird dabei nicht einfach auf die clevere Umdeutungsleistung souveräner Rezipienten ausgelagert (wie in zahlreichen Theoriebildungen aus dem Umfeld der Cultural Studies). Die Forschergruppe versteht Popularität weder als reine Produkteigenschaft noch als reine Praxiskonsequenz, sondern als einen historisch sich entfaltenden Interaktionszusammenhang zwischen formal-materialen Beschaffenheiten und kulturellen Positionierungshandlungen. Fragen nach der Faktur, Rezeption und Wirkung kommerzieller Serien werden auf diese Weise integrativ mit Fragen nach der Situierung populärer Serialität im Raum kultureller Distinktionen und Lebensstile verknüpft.

Während der ersten Förderphase untersuchte die Forschergruppe in sechs Teilprojekten, (1) welche Erzählformen und Erzählverfahren für populäre Serien charakteristisch sind (Ebene der Narration), (2) welche Akteursrollen und Rezeptionshandlungen von seriellen Erzählungen spezifisch in der Populärkultur – im Unterschied zu anderen kulturellen Feldern – begünstigt bzw. angestoßen werden (Ebene der Distinktion), (3) welche kultur-historischen Verhältnisse durch populäre Serien vorausgesetzt und unterstützt werden (Ebene der Geschichte).

Auf der Untersuchungsebene Narration erwies sich Rekursivität, d.h. die laufende Neuabstimmung von Fortsetzungsmöglichkeiten auf bereits Erzähltes als ein wesentliches Merkmal populärer Serialität. Damit hat sich in der ersten Projektphase bestätigt, dass narratologische Befunde zu populären Serien konsequent mit akteursbezogenen und kulturhermeneutischen Perspektivierungen abgeglichen werden müssen, um die vielfältigen, historisch spezifischen und narrativ folgenreichen Rückkopplungen zwischen laufender Erzählung und laufender Rezeption adäquat zu erfassen. Zugleich zeigte sich auf der Untersuchungsebene der Distinktion, dass die oft wertende Unterscheidung zwischen (restriktiver oder manipulativer) Produktion und (emanzipativer oder eigen-sinniger) Rezeption, wie sie für viele Cultural-Studies-Ansätze kennzeichnend ist, die hohe Durchlässigkeit zwischen textuellen und paratextuellen bzw. professionellen und Amateur-Handlungen bei populären Serien nur unzureichend beschreibt. Auch feldtheoretische Arbeitshypothesen nach Bourdieu wurden vom Material nur ansatzweise bestätigt; ethnographische Untersuchungen ließen hier ein dynamischeres Spektrum möglicher Genuss- und Gebrauchsformen sichtbar werden. Somit hat sich die Modellierung populär-serieller Praxis im Sinn eines Akteur-Netzwerks als hilfreich erwiesen: Populäre Serien lassen sich hiernach als – immer auch stark eigendynamische – Kulturagenten (im Sinne Latours) verstehen, die sowohl handelnde Personen und Institutionen als auch handlungsleitende Formen, Objekte und Medien umfassen. Damit trat auf der Untersuchungsebene Geschichte die Bedeutsamkeit einer kulturökologischen Perspektive in den Vordergrund, d.h. einer Betrachtungsweise, die die Entwicklung des kommerziellen und in der Regel arbeitsteiligen Erzählformats "populäre Serie" seit dem 19. Jh. unter konsequentem Einschluss der sich wandelnden Handlungsbedingungen ("affordances") ihrer medial-technologischen und institutionellen Umwelten analysiert.

Für die zweite Förderphase (2013-2016) wurden unter den genannten Gesichtspunkten sieben Teilprojekte entwickelt, die (1) eine historische Grundierung, (2) eine konzeptionelle Vertiefung und (3) eine Erweiterung des Gegenstandsbereiches des Forschungsvorhabens leisten. Drei Teilprojekte widmen sich der Frühgeschichte serieller Populärkultur in Deutschland und den USA, genauer: in der Zeit vor dem Bürgerkrieg als einer wichtigen Entstehungsphase kommerzieller Populärkultur in den USA (serielle City Mysteries), in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s zur Bestimmung korrespondierender, aber kulturspezifisch differenter Strukturen des Populären in Deutschland (deutschsprachige Periodika) und in der ersten Hälfte des 20. Jh.s, als sich diese Prozesse in der Wahrnehmung einer neuen technologischen "Massenkultur" konsolidieren (Film Serials). Zwei Teilprojekte setzen die Analyse der Distinktion (Serien-Autorschaft als Profession) und der Evolution (Remaking als retrospektive Serialisierung) populärer Serialität fort; diese Projekte zielen explizit darauf ab, die begrifflichen Befunde der ersten Projektphase zu vertiefen und zu differenzieren. Zwei Teilprojekte erschließen neue Gegenstände mit Blick auf bestehende Forschungslücken: Untersucht werden die kulturelle Variabilität und globalisierte Dimension populärer Serialität auf die Spezifik digitaler Serialität im 21. Jh. (Computerspiele) und nicht-fiktionale Formate populärer Serialität (Reality TV).

Die Forschergruppe ist interdisziplinär ausgerichtet, die Wissenschaftler stammen aus den Fächern Amerikanistik, Germanistik, Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie, empirische Kulturwissenschaft und den Medienwissenschaften. Sie ist an der Freien Universität Berlin (Sprecherhochschule) angesiedelt sowie an den Teilprojektstandorten Göttingen, Hannover, Karlsruhe und Tübingen. Fördervolumen erste Projektphase: 1.85 Millionen Euro; Fördervolumen zweite Projektphase: 2.15 Millionen Euro. Darüber hinaus existiert ein Netzwerk unabhängig finanzierter, assoziierter Projekte.