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Forschungsprojekt: Edward A. Tenenbaum und die Deutsche Mark

Mein Projekt zielt darauf ab, die entscheidenden Beiträge und die Rolle des wahren „Vaters“ der Deutschen Mark und der Währungsreform 1948, des Offiziers der US-Streitkräfte und Finanzexperten Edward Adam Tenenbaum, herauszuarbeiten. Der erste Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard hat die Vaterschaft der D-Mark für sich beansprucht, ohne die Währungsreform mitgestaltet zu haben.

 

Meine Forschungsergebnisse sollen als Einleitung zur Veröffentlichung des Buchmanuskripts mit den Erinnerungen Tenenbaums an die Vorbereitung und Durchführung der Währungsreform und die Schaffung der Deutschen Mark – von mir sorgfältig ediert – dienen. Nicht nur von Wirtschaftshistorikern, sondern von Allen, mit denen ich mein Projekt besprochen habe, wurde großes Interesse an einer solchen Veröffentlichung geäußert. Denn das Tauziehen zwischen den vier Siegermächten um die Ausgestaltung einer Währungsreform in allen vier Besatzungszonen und die Umstände des siebenwöchigen „Konklaves von Rothwesten“ unter der Leitung von Tenenbaum zur detaillierten Vorbereitung der Währungsreform vom 20. Juni 1948 in den drei westlichen Besatzungszonen sind spannend wie ein Kriminalroman. „Konklave“ wurde das Treffen in Rothwesten schon von den dort versammelten elf Währungssachverständigen genannt, weil diese in einer amerikanischen Kaserne in Rothwesten untergebracht und – wie die Kardinäle bei jeder Papstwahl im Vatikan - von der Außenwelt in jeder Hinsicht abgeschnitten waren. Im Unterschied zu den Kardinälen sollten sie aber von wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen bleiben, sodass sie am Ende gegenüber den drei westlichen Militärregierungen jede Verantwortung für die Währungsreform schriftlich ablehnten.

Ludwig Erhard

Ludwig Erhard wird bis heute von den meisten Menschen als Vater der Währungsreform von 1948 angesehen, die als die erfolgreichste der neueren Wirtschaftsgeschichte gilt. Zu diesem Image haben Erhard selbst, die Medien in Deutschland und Karikaturisten kräftig beigetragen. Zwei Beispiele:

Karikatur: Rolf Peter Bauer (1959), in Hamburger Abendblatt. Quelle: http://www.arbeitgeberverbandlueneburg.de/files/veranstaltungen/schulewirtschaft/begleitheft-kleine-datei-zur-ansicht.pdf

Foto: Sven Simon. Quelle: Münchner Merkur 5. Mai 2017

In sein Buch von 1962 „Wohlstand für Alle“ (S. 17) hat Erhard die unten abgebildete Karikatur aufgenommen. Auch auf dem Umschlag des Buches präsentiert er sich als Schöpfer der Deutschen Mark.

 

Die Militärregierungen der drei westlichen Besatzungszonen hatten die Währungsreform ohne Abstimmung mit, geschweige denn Zustimmung, von Ludwig Erhard, seiner Verwaltung für Wirtschaft und dem Wirtschaftsrat, gesetzgeberisch umgesetzt. Erhard hatte erst kurz vor dem 20. Juni 1948 erfahren, dass die Währungsreform beschlossene Sache sei. Wenige Tage nach der Währungsreform hob Ludwig Erhard als Direktor der Verwaltung für Wirtschaft einen großen Teil der Bewirtschaftungsmaßnahmen und Preisstopps für Konsumgüter mit den ihm übertragenen Vollmachten des Leitsätzegesetzes auf. Das allerdings war sein Verdienst. Aber ohne den viel härteren Währungsschnitt als den 10-prozentigen, den Erhard als hartes Vorgehen gegenüber viel laxeren Prozentsätzen deutscher Währungsexperten befürwortet hatte, wäre seine Preisfreigabe auf eine Inflation hinausgelaufen und so gescheitert.

Edward A. Tenenbaum

Der eigentliche Schöpfer der Deutschen Mark und Architekt der Währungsreform, der zur Zeit des Konklaves 26-jährige Oberleutnant Tenenbaum mit exzellenten Fremdsprachkenntnissen in Deutsch, Französisch und rudimentär Russisch wird in Erhards Buch Wohlstand für Alle an keiner Stelle genannt. Ein Teilnehmer des Konklaves, Hans Möller, hat in seinem 1961 erschienenen Buch Zur Vorgeschichte der Deutschen Mark Tenenbaum ebenfalls nicht erwähnt. Ja sogar in Christoph Buchheims Währungsreform-Beitrag zur Festschrift der Bundesbank Fünfzig Jahre Deutsche Mark(1998) kommt Tenenbaum nicht vor. In der mehrbändigen Edition der Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1949 (1989)gibt es keinen Hinweis auf Tenenbaum.

Eckhard Wandels Studie von 1980 über die Entstehungsgeschichte der Bank deutscher Länder und der Währungsreform war die erste wissenschaftliche Arbeit, in der - auf der Basis vor allem amerikanischer Archive und Quellen - Tenenbaums Schlüsselrolle bei der Entstehung der Deutschen Mark adäquat dargestellt wurde. Helmut Schmidt hatte 1949 seine mit sehr gut bewertete volkswirtschaftliche Diplom-Arbeit über die gescheiterte Währungsreform 1946 in Japan im Vergleich zu der erfolgreichen 1948 in Deutschland geschrieben. In seinen Memoiren von 1987 schrieb er: „Einer der Köpfe, die hinter der deutschen Reform steckten, der junge Amerikaner Edward A. Tenenbaum, ist, sehr zu Unrecht, kaum in das Bewußtsein der Deutschen gedrungen. Er war das intellektuelle Bindeglied zwischen amerikanischer Militärregierung und deutschen Fachleuten. … Er verdient ein Denkmal in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.“

Aus Anlass der deutschen Währungsunion nach der Wiedervereinigung veröffentlichte Die Zeitam 22. Juni 1990 einen längeren Artikel des amerikanischen Historikers David Schoenbaum mit dem Titel Ziehvater der D-Mark. Edward A. Tenenbaums nie veröffentlichte, hochaktuelle Erinnerungen an die Währungsreform. Darin geht er auf ein paar Einschätzungen und Stellungnahmen ein, die in Tenenbaums Memoiren enthalten sind.

Zum 50-jährigen Jubiläum der Währungsreform entschloss sich die Deutsche Bundesbank, eine Initiative der Gemeinde Fuldatal, in die das Dorf Rothwesten als Ortsteil eingemeindet worden war, zur Gründung eines Museums der Währungsreform 1948in jenem „Haus Posen“ zu unterstützen, in dem das von Tenenbaum geleitete „Konklave“ stattgefunden hatte. Zur Eröffnung waren von der Bundesbank die Witwe Jeanette Kipp Tenenbaum und deren Tochter Anne eingeladen. Erst am 25. April 2012 – nachdem die Bundeswehr das Kasernengelände aufgegeben hatte – wurde die auf das Haus führende Straße als Edward-Tenenbaum-Str. benannt.

2016 hat es eine weitere öffentliche Anerkennung von Tenenbaums grundlegender Leistung für die erfolgreiche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Zwei Journalisten vom Handelsblatt bzw. der Wirtschaftswoche haben, nach Beratungen mit mehreren Professoren für Wirtschaftsgeschichte, unter dem Titel Made in Germany. Große Momente der deutschen Wirtschaftsgeschichteneben 19 Artikeln über bedeutende Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaftsgeschichte von Friedrich List bis Birgit Breuel nicht etwa einen Artikel über Ludwig Erhard, sondern einen solchen über Edward Tenenbaum und seine zentrale Rolle bei der Einführung der D-Mark aufgenommen.

Diese Ausführungen dokumentieren ein ansteigendes Interesse in Deutschland während der letzten drei Jahrzehnte an einer umfassenden Aufarbeitung der Tätigkeiten, die Tenenbaum in der Vorbereitungsphase der Währungsreform vom 20 Juni 1948 mit der Einführung der Deutschen Mark wahrgenommen hat. In Veröffentlichungen von Teilnehmern des Konklaves, vor allem von Hans Möller und Erwin Hielscher, ist zwar Einiges über Tenenbaums Rolle im Konklave bekannt geworden, aber bei weitem nicht Alles. Die Protokolle der dortigen Beratungen sind in ihrer Gesamtheit noch nicht entdeckt und ausgewertet worden, auch nicht was in amerikanischen, britischen und französischen Archiven zu den Beratungen zu finden ist und was die Militärregierungen (über diejenige der USA) Tenenbaum als Instruktionen erteilt haben. Der Werdegang von Tenenbaum und seine Befassung mit Fragen einer Währungsreform in Deutschland – vierzonal oder dreizonal - vor dem Konklave liegt völlig im Dunkeln. Es ist mein Anliegen, diese Forschungslücken zu schließen.

Ob daraus nur ein Artikel zur Einleitung der Veröffentlichung des Buchmanuskripts von Tenenbaum oder darüber hinaus auch eine Biographie Tenenbaums entstehen wird, kann ich erst entscheiden, wenn meine zahlreichen Forschungsfragen durch Archiv- und Literaturstudien beantwortet sind.