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Graduierenkolleg - Seite 4
Teilbereich: Das Graduiertenkolleg GRK 43/3; 1997-2000
Sprecher des GRK
- Prof. Dr. Winfried Fluck
Hochschullehrer im Graduiertenkolleg
- Prof. Dr. Willi Paul Adams (Abt. Geschichte, JFKI)
- Prof. Dr. Winfried Fluck (Abt. Kultur, JFKI)
- Prof. Dr. Heinz Ickstadt (Abt. Literatur, JFKI)
- Prof. Dr. Hans Joas (Abt. Soziologie, JFKI)
- Prof. Dr. Knud Krakau (Abt. Geschichte, JFKI)
- Prof. Dr. Margit Mayer (Abt. Politik, JFKI)
Thematische Gruppen
1. Religion
Die Trennung von Kirche und Staat gehört zu den zentralen Merkmalen US-amerikanischer Demokratie. Dieses verfassungsrechtliche Gebot hat jedoch keineswegs zu einem Schwinden der Religion in der Gesellschaft geführt: zahllose Erhebungen bestätigen immer wieder die ungebrochene religiöse Vitalität dieses hochmodernisierten Landes. Ebensowenig läßt sich die Trennung der Institutionen in eine vollständige Trennung von Religion und Politik übersetzen: Neben ihren seelsorgerischen Aufgaben versuchen verschiedene Kirchen und religiöse Interessensgruppen seit vielen Jahren, die amerikanische Politik in entscheidenden Bereichen mitzugestalten. Vor diesem Hintergrund entstehen im Rahmen des Graduiertenkollegs Forschungsprojekte über die Haltung evangelikaler Gruppen zu Fragen des Wohlfahrtsstaates, die Einflußnahme religiöser Gruppen auf die amerikanische Flüchtlingspolitik gegenüber Lateinamerika und die Rückwirkungen demokratischer Politik auf den religiösen Fundamentalismus in Gestalt der "Christlichen Rechten”.
2. Menschenrechtspolitik
Menschenrechte haben in der amerikanischen politischen Kultur nicht nur eine entscheidende Rolle auf dem Weg zum National- und Verfassungsstaat gespielt, sondern auch die Außenpolitik des Landes mitbestimmt. Die Verknüpfung der demokratischen Ideale mit der Formulierung außenpolitischer Konzepte und deren Umsetzung ist bis heute ein konstitutiver Bestandteil des amerikanischen Selbstverständnisses. Eine Arbeit betrachtet das Spannungsverhältnis zwischen idealistischem Anspruch und realpolitischer Wirklichkeit der amerikanischen und deutschen Menschenrechtspolitik in dem Zeitraum 1977 – 1996. Zwei weitere Arbeiten beschäftigen sich mit Einzelaspekten des Themas ‘Menschenrechte’: die Asyl- und Flüchtlingspolitik nicht-staatlicher Organisationen in den USA.
3. Pragmatismus
Der philosophische Pragmatismus ist in seiner Eigenschaft als wichtigste amerikanische Denktradition der entscheidende Beitrag der USA zur politischen Ideengeschichte. Sein wichtigstes Merkmal besteht in einer begrifflichen Verschränkung von philosophischen Konzepten und Grundwerten der amerikanischen Demokratie. Diese ist ohne eine Kenntnis pragmatischer Konzepte nicht verständlich. Der philosophische Pragmatismus unterscheidet sich von dem aus der politischen Praxis bekannten Begriff durch eine eindeutig definierte Beziehung der verwendeten Mittel zu den angestrebten Zielen (z.B. sei Demokratie nur mit demokratischen Mitteln erreichbar). In diesem Zusammenhang wird in einzelnen Projekten das Verhältnis pragmatischer Denker zu konkreten politischen Fragestellungen in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts untersucht: Sie äußerten sich sowohl in der Diskussion über internationale friedensstiftende und friedenserhaltende Institutionen als auch zum Phänomen des europäischen Faschismus.
4. Ethnizität
Die ethnische und kulturelle Vielfalt der Vereinigten Staaten prägt die Gesellschaft der Einwanderernation seit ihren Anfängen. Doch erst mit der Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 1960er Jahre entwickelte sich ein Gesellschafts- und Kulturverständnis, das dieser Pluralität Rechnung trägt. Im Resultat veränderte sich das Verhältnis der einzelnen ethnischen "Minderheiten” zur amerikanischen Mehrheitsgesellschaft fundamental: Vormals marginalisierte Stimmen und Konflikte wurden zunehmend als maßgeblich "andere” Perspektive auf die USA wahrgenommen und das Bewußtsein wuchs, wie zentral diese Auseinandersetzungen das Selbstbild Amerikas geprägt haben. Das gewachsene Selbstbewußtsein ethnischer Minderheiten findet auch in den Außenbeziehungen der USA stärkeren Niederschlag. Besonders in den Beziehungen der USA zu den jeweiligen Herkunfts- oder Bezugsländern der ethnischen Gruppen wurden ihre "speziellen” Interessenlagen zunehmend als legitim betrachtet und nicht mehr pauschal als "illoyal” und inkompatibel mit einem vermeintlich übergeordneten "nationalen Interesse” der Vereinigten Staaten verurteilt. Parallel zu dieser Akzentverschiebung haben sich im Austausch mit der Postmoderne-Diskussion und der Eurozentrismuskritik der unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen seit den 1980er Jahren partikulare "ethnische” Wissenschaftsdiskurse herausgebildet.
5. Gewaltphänomene in den USA
"Gewalt hat mehr oder weniger jeden Abschnitt und jeden Aspekt der nationalen Existenz Amerikas begleitet”, schreibt einer der bedeutendsten amerikanischen Gewaltforscher, Richard Maxwell Brown, "Die amerikanische Nation wurde gezeugt und geboren aus Gewalt”. Dies wird – bis zum heutigen Tage – in der Präsenz von Gewalt, Gewalttätigkeit, Gewaltdarstellungen u.a. in der amerikanischen Gesellschaft, amerikanischen Literatur und Film in Kontinuum deutlich. In diesem Zusammenhang untersuchen Studenten und Studentinnen des Graduiertenkollegs kulturtheoretisch und –geschichtlich die Faszination mit individueller Gewalt in ausgewählten amerikanischen Filmen der 1990er Jahre, literaturkritisch die hyperbolischen Gewalt- und Todesdarstellungen im Werk Cormac McCarthys und politikwissenschaftlich den Rechtsextremismus in den USA als gewaltverherrlichende gesellschaftliche bzw. politische Kraft und Ideologie.
6. US-Besatzungspolitik als Außenpolitik
Mit der bedingungslosen Kapitulation wurde das Wüten der totalitären Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg beendet. Damit wurde 1945 die Besetzung der Länder der ehemaligen Kriegsgegner zu einem neuen Instrument alliierter Außenpolitik. Erstmals in der internationalen Diplomatiegeschichte verbanden die Siegermächte ihre Besatzungsvorstellungen mit klaren Demokratisierungsansprüchen. Im Graduiertenkolleg beschäftigt sich eine Arbeit mit der Wechselwirkung amerikanischer Demokratievorstellungen und ihren machtpolitischen Ansprüchen in den vierziger Jahren. Eine andere Arbeit konzentriert sich auf die Bedeutung der amerikanischen Medienpolitik für die Umsetzung ihrer Demokratisierungspläne in Deutschland nach 1945.
7. Sozialpolitik und Wohlfahrtsstaat
Das sozialpolitische System der USA, seine historischen Entstehungszusammenhänge und seine Entwicklung unterscheiden sich erheblich von dem, was man im europäischen Kontext antrifft. Das Ausmaß staatlich organisierter Vorsorge und die Absicherung gegen Risiken, die mit Behinderung, Krankheit, Alter, Armut oder Arbeitslosigkeit zusammenhängen, sind sehr begrenzt und werden zumeist der individuellen Verantwortlichkeit zugewiesen. Insbesondere die vieldiskutierte Reform der Sozialhilfe-Gesetzgebung in den USA von 1996 hat diesen Aspekt in den Vordergrund des öffentlichen und wissenschaftlichen Interesses gerückt. Die dieser Rubrik zuzuordnenden Arbeiten setzen sich mit diesen Phänomenen auseinander und erforschen die Bedingungen und Ursachen dieser spezifisch "amerikanischen" Version eines Wohlfahrtsstaates. Dabei gilt die Aufmerksamkeit im besonderen den Institutionen des politischen Systems sowie jenen Interessengruppen, die für oder gegen den Umbau des staatlichen Sozialsystems eintreten.
8. Working Class
Die Arbeiterbewegung der Vereinigten Staaten ist ein wichtiger, aber teilweise vernachlässigter Forschungsbereich der Geschichts- und Literaturwissenschaft. Das Graduiertenkolleg versucht dem gestiegenen Interesse an der Working Class mit drei Projekten Rechnung zu tragen. Die Geschichte der Arbeiterbewegung war schon immer eng verbunden mit der Geschichte der Gewerkschaften. Daß diese nicht nur die Interessen ihrer Mitglieder, sondern auch gesamtgesellschaftliche Interessen vertraten, soll in der Arbeit "Die amerikanischen Gewerkschaften zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung in den 1940er Jahren" gezeigt werden. Ebenso beschränkte sich der Operationsradius der Gewerkschaften nicht auf den Nationalstaat. Am Beispiel der United Steelworkers in den USA und in Kanada wird dieses Phänomen in dem Projekt "The Politics of National Diversity in the United Steelworkers of America, 1936 - 1984" beschrieben. In Bezug auf die weibliche Arbeiterbewegung haben die Gewerkschaften und die kommunistische Partei oft nicht klar Fraueninteressen wahrgenommen. Die Probleme von Frauen der Working Class im Süden der Appalachian Mountains sowohl mit Gewerkschaften wie Arbeitgebern und der patriarchalischen Tradition des Südens sind Thema der Arbeit "Women´s Working Class Literature of the Appalachian Mountains in the Twentieth Century".
Programm des Graduiertenkollegs 1997- 2000
1. Semester: WS 1997/98
- Wochenendseminar als Auftakt in der ersten Oktoberwoche 1997
- Wöchentliches Seminar zum Thema "Zeitdiagnosen". Es diente zur Einarbeitung in die heute in den USA und Europa laufende Demokratie-Debatte in fächerübergreifenden Diskussionen
- Wöchentliches Kolloquium als zentrales Forum für die Arbeitsberichte und die interdisziplinäre Kritik aller Einzelprojekte
- Alle vierzehn Tage ergänzten Doktorandenkolloquien der einzelnen Fächer die Diskussionen im gemeinsamen Kolloquium, um mit den Doktoranden und Professoren des jeweiligen Fachgebietes intensiv auf fachspezifische Probleme der Einzelprojekte eingehen zu können
2. Semester: SoSe 1998
- Wöchentliches Seminar zum Demokratiebegriff in der politischen Theorie und Praxis I. "Von der amerikanischen Revolution bis zum Progressive Movement"
- Wöchentliches Kolloquium
- Doktorandenkolloquien der einzelnen Fachbereiche
3. Semester: WS 1998/99
- Audiovisuelle Selbstdarstellung des Graduiertenkollegs anläßlich einer Veranstaltung der Berliner Graduiertenkollegs im Rahmen der 50-Jahresfeier der Freien Universität im Harnackhaus der Freien Universität
- Wöchentliches Seminar zur Entwicklung des Demokratiebegriffs in Theorie und Praxis II. "Geschichte des Demokratiebegriffs seit dem Pragmatismus." Darüber hinaus wurden die Themenkreise der politischen Partizipation, des Wertewandels, Demoskopie und Medien diskutiert
- Wöchentliches Kolloquium
- Doktorandenkolloquien der einzelnen Fachbereiche
4. Semester: SoSe 1999
- Großes Symposium, um die Einzelprojekte in Vorträgen einem eingeladenen Expertenkreis von Wissenschaftlern aus amerikanischen und deutschen Universitäten sowie den Studierenden des JFKI vorzustellen und zu diskutieren. Es wurden 10 Experten eingeladen, die von den Graduiertenkollegmitgliedern selbst vorgeschlagen wurden. In Einzelgesprächen widmeten sich diese Experten im Anschluß an die Konferenz den jeweiligen Projekten der GRK-Mitglieder
- Spezialvorlesung "Demokratie als Konstitutionsbedingung amerikanischer Literatur und Kultur"
- Wöchentliches Kolloquium
- Doktorandenkolloquium der einzelnen Fachbereiche
5. Semester: WS 1999/00 und 6. Semester: SoSe 2000
- Schreibphase, in der sich die Doktoranden auf die Ausarbeitung und Fertigstellung ihrer Projekte konzentrierten und nur noch punktuell Hilfsangebote der Professoren und der Gruppe benötigten und wahrnahmen
- Wöchentliches Kolloquium
- Doktorandenkolloquium der einzelnen Fachbereiche
- Universitätsringvorlesung "Demokratie in den USA"
- Internes Abschlußsymposium mit Vorträgen der Doktoranden