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Daily Bread

 

Feldbericht von Jessica Jansen

(Aufenthalt: 9.-13. April 2006)

 

INHALT:

  1. Allgemeine Erläuterungen zu Daily Bread
  2. Ein typischer Tagesablauf bei Daily Bread
  3. Teilnehmende Beobachtung
  4. Fazit

 

1. Allgemeine Erläuterungen zu Daily Bread

Daily Bread ist eine Nonprofit-Organisation in Lynchburg. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht hat, Obdachlosen und allen anderen Menschen, die sich aus etwaigen Gründen keine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln leisten können, einmal am Tag eine ausgewogene Mahlzeit ohne Kostenbeitrag zu servieren. Daily Bread wurde 1982 gegründet –  ursprünglich als Teil der First Presbyterian Church in Lynchburg – und ist heute überdenominational.

Der Löwenanteil der Lebensmittel, die an die Menschen verteilt werden, kommt aus Spenden. Der Rest, der nicht gespendet wird, aber unbedingt benötigt wird, muss dazugekauft werden. Die Spender sind Restaurants, Fastfood-Ketten, Supermärkte, Kirchen, Universitäten, aber auch Privatpersonen. Die Fülle an gespendeten Lebensmitteln ist überwältigend. Einschränkend hierzu ist jedoch zu bemerken, dass eine relative Monotonie, welche Produkte zur Verfügung stehen, herrscht. Daily Bread arbeitet hier mit dem Vorsatz, keinerlei angebotenen Spenden abzulehnen. Der Grund hierfür besteht darin, dass sie nicht wollen, dass  potentielle Unterstützer das Gefühl haben, ihnen sei irgendetwas nicht gut genug oder es würde nicht benötigt. Man geht davon aus, dass diese Vorgehensweise dem Ruf von Daily Bread förderlich ist. Allerdings hat dies auch zur Folge, dass man häufig als Entsorger großer Mengen nicht zu gebrauchender und oft auch schon verrotteter Lebensmittel beschäftigt ist oder dass der Fahrer für die Reste eines normalen Familienessens viele Kilometer fährt, was dann keineswegs mehr in einer positiven Kosten-Nutzen-Relation steht.

Die rein finanzielle Spendenbereitschaft ist im Vergleich wesentlich geringer. Daily Breadverfügt lediglich über ein jährliches Finanzbudget von $185, 000 bis $200,000.

Sechs bezahlte Mitarbeiter sind bei Daily Bread beschäftigt, wobei die Hälfte von ihnen auf Teilzeit-Basis angestellt ist.

  • Hauptamtliche Mitarbeiter: Lolita Warwick (Executive Director), Tish (Shelter Manager), Köchin
  • Angestellte Teilzeitkräfte: Joann Johnson (Weekend Director, Joann arbeitet unter der Woche in der Free Clinic von Lynchburg), Janice (Joanns Schwester, Köchin am Wochenende), Fahrer (zuständig für die größeren Lebensmittelspenden innerhalb der Woche)

Den weitaus größeren Teil der Menschen, die für einen reibungslosen Ablauf der Essensvorbereitung, -austeilung und das nötige Aufräumen nach dem Verlassen der Gäste beteiligt ist, sind Freiwillige.

Bei Daily Bread engagiert sich eine Vielzahl Freiwilliger, deren sozialer, religiöser sowie politischer Background sehr stark variiert. Auch in der Altersstruktur der Freiwilligen zeigen sich keinerlei spezifische Schwerpunkte. Der jüngste Freiwillige während meiner Zeit bei Daily Bread war 12 und die älteste Freiwillige Mitte 80 Jahre alt. 

Die Freiwilligen kommen aus den unterschiedlichsten Beweggründen zu Daily Bread.

Viele engagieren sich als Delegation ihrer Kirchengemeinden, welche die Hilfe in der Suppenküche als Teil ihres religiösen Lebens sehen. Zu den Gemeinden, deren Mitglieder als Freiwillige kommen, gehören sowohl liberale Gemeinden als auch evangelikale.

Ein anderer Teil der Freiwilligen rekrutiert sich aus Schulgruppen, Bibelkreisen und Universitätsgruppen. So war z.B. an einem meiner Tage bei Daily Bread eine achtköpfige Gruppe von Studenten der Liberty University dort und einige Studenten des Lynchburg Colleges brachten des Öfteren bei unterschiedlichsten Anlässen übrig gebliebene Lebensmittel vorbei. Aber auch Personen, die von einem Gericht zu Sozialstunden verurteilt worden waren, sind unter den Helfern. Besonders interessant empfand ich die Tatsache, dass einige der am häufigsten dort mitarbeitenden Personen selbst Obdachlose sind.

Eine Reihe von Einzelpersonen und Ehepaaren sowie auch Gruppen kommen in gewissen regelmäßigen Abständen. Solche kontinuierlichen Helfer sind sehr wichtig, damit der Betrieb auf jeden Fall aufrechterhalten werden kann.

Im letzen Jahr hat Daily Bread über 40.000 Mahlzeiten an Bedürftige ausgeteilt, wobei jeder Gast in der Suppenküche so viel Nachschlag bekommt, wie er möchte und diese Mehrportionen nicht mit eingerechnet sind. Außer den warmen Mahlzeiten kann sich ein jeder aus dem meist prall gefüllten Brot- und Kuchenregal soviel mit nach Hause nehmen, wie er für notwendig hält.

Die Anzahl an Gästen schwankt zwischen 60 und 200, wobei in der Regel die Anzahl der Gäste im Verlauf eines Monats immer höher wird. Der „Speiseraum“ bei Daily Bread ist allerdings lediglich mit 32 Plätzen ausgestattet, was zur Folge hat, dass, wenn sehr viele Gäste kommen, es zwangsläufig zu längeren Wartezeiten kommt.

Die Essenausgabe findet täglich jeweils in der Zeit von 10.50 Uhr bis 12.20 Uhr statt.

Vor und nach der Essenausgabe können die Menschen sich in dem kleinen Raum neben dem Hauptraum aufhalten, der als Dayshelter bezeichnet wird. Dort gibt es von 8.30 Uhr bis 14.00 Uhr die Möglichkeit, bei Kaffee und kleinen Snacks wie Kuchen und Kekse, fernzusehen oder auch einige der wenigen dort ausliegenden Bücher und Zeitschriften zu lesen. Hier befindet sich außerdem eine kleine Ecke mit gespendeten Kleidungsstücken, die sich die Menschen nach Bedarf mitnehmen können.

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2. Ein typischer Tagesablauf bei Daily Bread

Ein normaler Tag bei Daily Bread beginnt gegen 8.00 Uhr. Allerdings sind um diese Zeit meist nur einer der Verantwortlichen, sowie ein bis zwei Freiwillige dort. Diese fangen dann an, die am vergangenen Tag gespendeten Waren auf die bereits erwähnten Regale zu sortieren. Wobei man davor alle Kuchen und Kekse mit einem „D.B.“ markiert. Dies wird gemacht, da in der Vergangenheit einige der Gäste versucht haben, die dort mitgenommenen Sachen beim jeweiligen Supermarkt zu reklamieren, um an Bargeld zu gelangen. Das hatte Daily Bread größeren Ärger mit den Supermarktketten eingebracht. 

Gegen 8.30 Uhr wird der Dayshelter aufgeschlossen und mit Kaffee, sowie dem vom Vortag übrig gebliebenen Kuchen versorgt.

Im weiteren Verlauf des Tages kommen die anderen Freiwilligen und es wird geschaut, was an Essensspenden da ist, damit man einen Plan für das Essen aufstellen kann. Meist entsteht schon am Tag zuvor die grobe Essensplanung, da man dann schon weiß, wer was gespendet hat bzw. was unbedingt verbraucht werden muss. Bei Engpässen wird auf Konserven zurückgegriffen.

Es gibt jeden Tag als Ergänzung zum Hauptgericht Brot, Salat sowie einen Nachtisch. Während einige der Freiwilligen mit der Köchin das Essen vorbereiten, kümmern sich andere darum, dass die Tische vorbereitet werden. Das heißt, dass Soßen, Salz, Pfeffer, Zucker und Milch für den Kaffee auf alle Tische gestellt werden und dass genug Besteck präpariert wird. Sämtliches Geschirr und Besteck besteht aus Styropor bzw. Plastik. Um das Besteck kümmert sich eigentlich jeden Tag derselbe ältere, geistig leicht verwirrte Mann. Er bindet hundertfach  jeweils einen Löffel und eine Gabel in eine Servierte ein. Diese Aufgabe macht ihn unglaublich stolz.

Um 10.50 Uhr werden bei Daily Bread die Türen geöffnet. Viele der Bedürftigen sind allerdings schon viel früher gekommen und haben manchmal bereits bis zu 2 ½ Stunden vor der Tür gewartet. 

Nachdem die ersten 32 Gäste Platz genommen haben, informieren die Manager der Suppenküche über etwaige Neuigkeiten. Bevor dann die ersten Essen ausgegeben werden, muss sich einer der Gäste bereit erklären, ein Tischgebet zu sprechen.

Die Freiwilligen teilen sich in ein Küchenteam und ein Serviceteam. Das Küchenteam kümmert sich um die Vorbereitung der Teller sowie die Portionierung etwaiger Nachschläge.

Die Serviceleute teilen sich die Tische untereinander auf und alles läuft dann wie in einem gewöhnlichen Restaurant. Die Gäste haben die Auflage, sich in angemessener Sprache zu artikulieren und sich den Freiwilligen gegenüber gut zu benehmen.

Sobald die Gäste gegangen sind, wird aufgeräumt. Am Wochenende werden meist noch die Touren gemacht, um die Nahrungsmittelspenden abzuholen, was innerhalb der Woche der Fahrer neben dem Betrieb erledigt.

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3. Teilnehmende Beobachtung

Joann, die Wochenendmanagerin, hat mich sofort unglaublich herzlich aufgenommen.  Sie hat mich gleich allen vorgestellt, mir einen Kaffe gemacht und mir ein sehr angenehmes Gefühl des Aufgenommenseins vermittelt.

Bis zur Essenausgabe sollte ich dann mit Rachel zusammenarbeiten. Rachel ist 20 und hat ihre vom Gericht angeordneten Sozialstunden, die sie wegen des Besitzes von Haschisch bekommen hatte, abgearbeitet. Sie war von Anfang an unglaublich offen und interessiert. Dank ihr bin ich sehr schnell in die Abläufe hineingekommen. Sie blieb auch bis zum Schluss meine engste Kontaktperson, mit der ich auch in der Freizeit viel Zeit verbracht habe. Schon am ersten Tag hat sie mich eingeladen, den Nachmittag mit ihr zu verbringen. Sie stellte mir auch gleich ihren Vater und Bruder vor und lud mich zum Essen in ein Restaurant ein. 

Die anderen Freiwilligen waren auch unglaublich nett. Ich war wirklich überwältigt, mit was für einem riesigen Maß an Freundlichkeit und Interesse ich von allen aufgenommen wurde.

An meinem ersten Tag haben wir eine riesige Menge an Pizza von „Pizza Hut“ gespendet bekommen. Die Spende bestand aus so vielen Kisten, dass selbst bei nochmaliger Weitergabe an andere Organisationen nicht alles verbraucht werden konnte. Da die gespendeten Waren eigentlich ausnahmslos Übergebliebenes darstellen, ist mir hier das erste Mal wirklich klar geworden, wie viele Nahrungsmittel im Normalfall von Fastfood-Ketten weggeschmissen werden. 

Schon an diesem, meinem ersten Tag habe ich den Stolz der Bedürftigen zutiefst bewundert, mit dem sie bei Daily Bread erscheinen. Die meisten benehmen sich wie Gäste in einem guten Restaurant. Sie wissen genau, was sie wollen und beanstanden Dinge ohne zu zögern, aber fast durchgängig in einer sehr angenehmen Art und Weise. Durch diese Art des Umgangs mit der Situation wurde mir mein mulmiges Gefühl, vor dem ich Angst hatte, genommen. Es entstand eine Atmosphäre von gleicher Augenhöhe. 

Am nächsten Tag, Sonntag den 9.04., kamen viele der Gäste in ihrer Sonntagskleidung, was mich anfangs sehr verwunderte, da Männer im Anzug nicht dem Bild entsprachen, dass ich von Bedürftigen oder gar Obdachlosen hatte. An diesem Tag kam ich auch zum ersten Mal mit einem der Gäste ins Gespräch. Anfangs war ich sehr skeptisch, als er mich ansprach, aber dies änderte sich recht schnell. Ich war überrascht wie schnell eine scheinbare Vertrauenssituation entstand und mir in meinen Augen sehr persönlich anmutende Dinge erzählt wurden.  Mein Gegenüber war Leland, ein 52 Jahre alter Afro-Amerikaner. Er erzählte mir von seiner schweren Kindheit in Lynchburg und von der schönsten Zeit seines Lebens, die er, wie er sagte, in der Zeit hatte, als er in der Navy war. Er verbrachte die Zeit im Alter von 18 bis er 27 Jahren alt war größtenteils in Europa, vor allem in Dänemark und Italien. Diese Zeit war wirklich sein Stolz. Er spricht heute noch ein wenig dänisch, und er sagte auch in unseren folge Unterhaltungen immer, dass er das richtig gemacht hätte, da viele seiner alten Schulkameraden nie aus Lynchburg herausgekommen sein. Er stellte mir in den nächsten Tagen dann auch noch einige der Bedürftigen als seine ehemaligen Klassenkameraden vor.

Er erzählte mir von seinen Kindern und vieles andere. Aber was mich am meisten berührt hat, war der Teil seiner Lebensgeschichte, der ihn dort hingebracht hatte, wo er heute ist. Leland ist ein sehr religiöser Mensch und er erzählte mir seine ganze Geschichte unter dem Mantel, dass er fest davon ausgeht, dass Jesus ihn gerettet hat.

Er berichtete mir von einem Wochenende im Jahr 2002, an dem er seinen kleinen Sohn, damals 10 Jahre alt, bei sich hatte. Er sagte, an diesem Sonntag hätte er das unstillbare Verlangen gehabt, einen Gottesdienst nach dem anderen zu besuchen, ohne zu diesem Zeitpunkt genau zu wissen warum. Sein Sohn hätte am Ende des Tages keine Lust mehr gehabt und sei im Auto sitzen geblieben.

Am Tag darauf hatte er dann mit seinem Kollegen einen schweren Autounfall, bei dem sein Kollege starb. Ich weiß nicht, inwieweit seine Geschichte mit den Kirchenbesuchen der Wahrheit entspricht, aber es ist Lelands persönliche Wahrheit, durch die er versucht, weiter durchs Leben zu kommen: „Das war der Tag an dem Jesus mich rettete.“. Jesus wolle also, dass er weiter lebt, er habe noch etwas zu tun.

Seit diesem Unfall ist er auf Grund von psychischen Problemen und Angstzuständen nicht mehr in der Lage, zu arbeiten. Da er keinerlei Unterstützung von staatlicher Seite bekam, wurde er zunächst obdachlos. Inzwischen hat er wieder ein Zimmer, da er seit kurzem eine kleine Rente von der Navy bezieht.

Unsere, diese erste Unterhaltung wurde leider abrupt durch die Managerin beendet. Sie holte mich zu sich, da sie angeblich etwas für mich zu tun hatte. Im weiteren Verlauf meines Aufenthalts bei Daily Bread wurde mir allerdings klar, dass von den Verantwortlichen versucht wurde, den engeren Kontakt meinerseits zu den Gästen zu unterbinden. Die Managerinnen gingen wohl davon aus, dass mir diese Menschen unheimlich seien und einige von ihnen stuften sie wohl auch als für mich gefährlich ein.  Doch meine Kontakte zu den Bedürftigen sind in den darauf folgenden Tagen sehr intensiv geworden. Ich habe mich eigentlich jeden Nachmittag zu denen, die nach der Essensausgabe noch auf den Bänken vor dem Haus sitzen geblieben sind, gesellt, um mich, oft stundenlang,  mit ihnen zu unterhalten.

Bei diesen Gesprächen kamen wir oft auf Religiosität und Spiritualität zu sprechen. Es kristallisierte sich heraus, dass Leland mit seinem tiefen Glauben unter den Bedürftigen nicht alleine ist. Der Glaube stellt für viele einen Halt dar und die Aussicht auf das Paradies einen Anreiz, das Leben, so wie es ihnen geboten wird, mit Dankbarkeit zu meistern.

Eine Begebenheit hat mich allerdings sehr schockiert als an einem Nachmittag einer der Obdachlosen versuchte, mich vom Glauben zu überzeugen. Am Tag zuvor hatte ich gesagt, dass ich nicht gläubig sei. Wir kamen auf die Schöpfungsgeschichte, und in diesem Zusammenhang in der für mich logischen Konsequenz auch auf die Evolutionstheorie zu sprechen. Ich musste allerdings feststellen, dass dieser Mann in seinen Vierzigern in seinem Leben noch nichts von der Evolutionstheorie gehört hatte. Als ich ihm von der Evolutionstheorie erzählt hatte, bekam ich fast ein schlechtes Gewissen, da sich seine Stimmung sichtlich verschlechterte und er mich fragte: „So, Du meinst also, ich kann das mit dem Paradies vergessen?“

Meine Kontakte zu den Volunteers (Freiwilligen) hatten in den meisten Fällen leider nicht die Möglichkeit, dieselbe Intensität zu erlangen, da ich die meisten von ihnen nur einmal getroffen habe.

Es war dennoch unerwartet einfach, in der kurzen, mir zur Verfügung stehenden Zeit recht intensive Gespräche mit fast allen Freiwilligen aufzubauen. Meine anfänglichen Befürchtungen, dass es mir schwer fallen würde, ein konstruktives Gespräch mit Menschen, die der religiösen Rechten zuzuordnen sind, zu führen, ohne mich zu verstellen, wurden nicht bestätigt.

Am Montag war unter den Freiwilligen ein Ehepaar, dass ich als perfektes Abbild des Stereotyps einer christlich-konservativen amerikanischen Familie beschreiben würde, die  versucht, permanent eine heile Familienwelt auszustrahlen. So kniete sich der Ehemann jedes Mal, wenn der Schnürsenkel seiner Frau auch nur leicht geöffnet wirken konnte, vor sie nieder mit den Worten: „My sweatheart, I ´ll do that!“ 

Ich kam mit ihnen ins Gespräch und sie berichteten mir von einem Krieg, der gerade in den USA ausgetragen wird. Der Krieg zwischen den Menschen mit Werten und denen, die durch Hollywood verdorben worden sind. Sie erzählten mir, dass sie keinerlei Informationen mehr aus den säkularen Medien entnehmen. Als einzig für sie in Frage kommende Nachrichtensendungen sehen sie Fox News und die Nachrichten des „700 Club“. Als Begründung nannten sie mir die Objektivität dieser Medien. Ihrer Auffassung nach seien diese die einzigen, die einem die Möglichkeit ließen, unabhängig seine eigene Meinung zu entwickeln. Patriotismus und Glaube wurde von ihnen als die höchsten Werte begriffen.

Sie fragten mich, wie ich zu diesen ihren höchsten Werten stehe. Ich hatte vorher lange überlegt, wie ich mich in einer solchen Situation verhalten solle, und ich entschied mich, zwar im diplomatischen Stil zu antworten, aber dennoch die Wahrheit zu sagen. Ich gab ihnen also zu verstehen, dass ich persönlich weder mit Nationalismus noch mit dem Glauben etwas anfangen kann. Doch die Reaktion der beiden fiel für mich völlig unerwartet aus. Sie drücken zwar ihr Bedauern aus, aber eigentlich waren sie nur an meiner Begründung für diese Sichtweise interessiert. Es hat sie auch in keiner Weise abgeschreckt, mir noch sehr viel mehr von sich zu erzählen und ich fühlte mich auch nicht einer versuchten Missionierung ausgesetzt.

Bevor sie gingen, haben sie mir noch ihre Mail-Adresse und ihre Telefonnummer mit dem Hinweis, dass ich immer willkommen sei und sie mir bei was auch immer helfen würden.

Die einzige Erfahrung mit einem Versuch der Missionierung meiner Person habe ich mit der Studentengruppe der Liberty University gemacht. Diese christlich sehr radikale Gruppe erzählte mir ausführlich von ihren Beweggründen, ihr Studium an der Liberty University aufzunehmen, sowie von der Verbindung zwischen Wissenschaft und Glauben innerhalb der Lehrveranstaltungen.

Man wolle die „Wahrheit“ gelehrt bekommen, nicht das von den Verfechtern der Säkularisierung manipulierte Wissen. Das Bedürfnis des gemeinsamen Gebets und der Unterhaltung über Gott als Inhalt des Lehrplans wurde von mehreren der Studenten sehr hervorgehoben. Eine der Studentinnen kam nach diesem Gespräch zu mir und fragte mich, ob ich nach all diesen Erfahrungen, die ich in den USA gemacht hätte, nun einen Platz in meinem Herzen für Jesus finden würde. Sie wüsste, dass ich meine Konversion noch erleben würde, es sei nur eine Frage, wann ich diese Erfahrung machen würde. Ihre Beziehung zu Gott würde jeden Tag intensiver werden und sie könne mir versprechen, dass man wesentlich glücklicher im Leben sei  wenn man die Schranken, die einen von Gott trennen, durchbricht.

Einer der Studenten erzählte mir aber später in einem Gespräch unter vier Augen, dass er zwar ein recht strenggläubiger Christ sei, er aber nur an der Liberty studiere, da er ein Stipendium bekommen hätte. Er meinte aber, dass er seine Entscheidung des öfteren hinterfragt, da er sich nicht sicher sei, ob das, was er geboten bekäme, die Einschränkungen für das persönliche Leben, die das Regelwerk für Studenten der Liberty vorschreibt, rechtfertige. Er berichtete mir, das nur bestimmte Arten von Feiern zugelassen seien, der Genuss von Alkohol generell untersagt ist und dass auch zwischenmenschliche Beziehungen unter Umständen sehr verkompliziert werden. Zu einer ausführlicheren Unterhaltung sind wir in diesem Augenblick leider nicht gekommen. Sein letzter an mich gerichtetes Kommentar an mich war: „Ich bin doch immerhin ein junger Mann, oder?“.

Auffällig bei meinen Unterhaltungen mit allen Freiwilligen, ob liberal oder konservativ, war, dass fast alle das Bedürfnis hatten, über Jerry Falwell zu sprechen. Von den meisten der Konservativen wurde er erwartungsgemäß als großer wichtiger Mann gelobt. Interessanter empfand ich die Beurteilung und die Fakten, die die ihm gegenüber kritischer Eingestellten äußerten.

Viele dieser Personen begannen ihre Kommentare damit, klarzustellen, dass da ja schon einige positive Dinge sein, die Falwell geleistet hätte.

Zu den Dingen, die mir über Jerry Farewell berichtet  wurden, gehörte, dass es zwar richtig sei, dass die Stadt Lynchburg auf Grund von Falwells Aktivitäten in den letzten Jahren sehr stark gewachsen sei, dass diese Familien aber nicht alle wegen den Glaubensgrundsätzen zuziehen würden, sondern weil Falwell anbietet, dass, wenn man sein Kind auf eine bestimmte Highschool in Lynchburg schickt, es später einen kostenfreien Studienplatz an der Liberty University bekommen wird. Außerdem würde man, je häufiger man die Thomas Road Baptist Church besucht, höhere Rabatte für sein Studium bekommen.

Ein anderes Thema war, dass durch das strenge Vorgehen gegen Alkohol und Haschisch, was durch Falwell provoziert wurde, eine unglaubliche Anzahl von Menschen kriminalisiert werden würden, was den Lebensläufen der Betroffenen unverhältnismäßig schadet.

Schockiert haben mich die Berichte über das durch Farewell initiierte Vorgehen gegen Homosexuelle. So wurde eine komplette studentische Schwulenrechtsgruppe verhaftet, da diese versuchte, auf dem Campus der Liberty University Gespräche mit den dort Studierenden zu führen.

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4. Fazit

Meine bei Daily Bread gesammelten Erfahrungen lassen sich wohl nicht mit denen der anderen Exkursionsteilnehmer vergleichen, da hier kein direkter Bezug auf eine Gemeinde oder eine Glaubensrichtung genommen werden kann. Die Religion steht hier nicht im Vordergrund, die Motivation ist unter allgemeinen christlichen Gesichtspunkten zu sehen und die meisten dort Arbeitenden, sowie die Besucher, haben definitiv einen christlichen Hintergrund. Jedoch ist dies im normalen Betrieb eher ein zweitrangiges Thema. Ich habe durch meinen Besuch den Dialog über den Glauben hervorgerufen, alltäglicher Bestandteil ist er aber in diesem Maße nicht, auch wenn der christliche Glaube im „Missionsstatement“ von Daily Bread ein Bestandteil ist.

Den Wert meiner Beobachtungen für die Exkursion sehe ich in der Erkenntnis, dass es trotz weit reichender ideologischer Unterschiede der Menschen, die sich dort engagieren, möglich ist, effektiv und freundlich zusammenzuarbeiten. Dies scheint mir in den USA mit einer größeren Selbstverständlichkeit möglich zu sein als dies in Deutschland der Fall wäre.

Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass all diese unterschiedlichen Glaubensansätze die Menschen im Endeffekt doch an den gleichen Ort kommen lassen, um – zwar mit leicht variierenden Begründungen – dort ihren Glauben zu leben.

Ein großer Vorteil von Daily Bread war in meinen Augen, dass ich die Möglichkeit bekam, mit so vielen unterschiedlichen Menschen zu sprechen. Jeden Tag musste ich von neuem herausfinden, was für Menschen, mit welchem politisch-religiösen Hintergrund vor mir standen. Einige Male brachte ich durch meine Fragen auch sehr ungleiche Menschen dazu, sich miteinander auseinanderzusetzen und sich gegenseitig ihre Standpunkte zu erläutern, was ich als äußerst spannend empfand.

Mein persönliches Fazit meiner Zeit bei Daily Bread fällt noch wesentlich positiver aus. Die Tage, die ich mit den Menschen dort verbracht habe, haben mich emotional außerordentlich berührt. Vor allem Joann, der Weekendmanagerin, zolle ich höchste Bewunderung. Ich habe in meinem Leben noch keinen so herzensguten, aber sehr durchsetzungsfähigen Menschen wie sie kennengelernt. Joann verändert die Atmosphäre bei Daily Bread maßgebend. In der Woche herrscht auch ein gutes Klima, aber am Wochenende ist es unbeschreiblich wohltuend.

Ich habe die Gespräche mit den „Obdachlosen“ genossen, mehr als man sich das als Außenstehender wahrscheinlich vorstellen kann und die Freundlichkeit mit der mir bei Daily Bread ausnahmslos entgegengetreten wurde, sucht ihresgleichen.

Vom ersten Tag an fühlte ich mich sehr persönlich involviert, so dass ich nicht nur während des vorgesehenen Zeitraums bei Daily Bread gewesen bin, sondern an allen meinen freien Tagen, sowie vor und nach meinen Besuchen in der anderen Gemeinde, die außerdem noch auf meinen Programm stand. Ich habe mir fest vorgenommen auch in Zukunft Daily Bread zu unterstützen und versuche den engen Kontakt aufrechtzuerhalten.

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